Tätigkeit als Berufsbetreuer nach § 14 GewO anzeigen oder nicht?

Betreuungsrecht

Der für den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung zentrale Begriff des Gewerbes wird vom Gesetz selbst nicht definiert. In Übereinstimmung mit der Literatur geht die ständige Rechtsprechung vom Vorliegen eines Gewerbes aus, wenn es sich um eine erlaubte, auf Gewinnerzielung und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit handelt, die nicht der Urproduktion, den Freien Berufen oder der bloßen Verwaltung eigenen Vermögens zuzurechnen ist.

Die auf eigene Rechnung und eigene Gefahr ausgeübte und damit selbstständige Tätigkeit als Berufsbetreuer (§ 1897 Abs. 6 BGB i. V. m. § 1 des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern, im Folgenden: VBVG) ist als zulässige berufliche Betätigungsform anerkannt, auf Dauer angelegt und wird von der Klägerin auch nicht lediglich vorübergehend ausgeübt. Ebenso wenig ist zweifelhaft, dass diese Tätigkeit eine Gewinnerzielung bezweckt. Die Klägerin handelt nicht aus rein sozialen oder ideellen Motiven, sondern bestreitet ihren Lebensunterhalt unter anderem aus dem gemäß § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB in Verbindung mit dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern geregelten Entgelt für die Betreuung.

Die Anzeigepflicht nach § 14 GewO entfällt auch nicht deshalb, weil es sich bei der von der Klägerin ausgeübten Betreuertätigkeit allgemein oder zumindest für den Rechtsanwalt um einen freien Beruf handelt. Berufsbetreuung als solche ist grundsätzlich kein Freier Beruf im gewerberechtlichen Sinne. Zwar steht auch hier wie sonst bei Freien Berufen die persönliche Tätigkeit im Vordergrund. Sie erfordert jedoch keine höhere Bildung. Auf die individuelle formale Qualifikation der Klägerin als Rechtsanwältin kommt es insoweit nicht an. Entscheidend in dieser Hinsicht ist vielmehr, ob eine Betätigung den Besuch einer Hochschule, Fachhochschule oder Akademie auch objektiv voraussetzt. Nach § 1897 Abs. 1 BGB muss der Betreuer lediglich geeignet sein, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und diesen in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Die Anwendung wissenschaftlicher Methoden und eine besondere, durch Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erworbene Befähigung erfordert das Gesetz nicht. Das wird dadurch bestätigt, dass die Betreuertätigkeit nach § 1897 Abs. 6 BGB vorrangig als Ehrenamt ausgestaltet ist. Sie wird daher in erster Linie von nicht speziell dazu ausgebildeten Personen, etwa von Angehörigen, vorgenommen. Für Berufsbetreuer bestehen keine weitergehenden Anforderungen. Zudem sieht § 4 VBVG für die Vergütung der Berufsbetreuer unterschiedliche Stundensätze vor, die nach dem Ausbildungsgrad des Berufsbetreuers gestaffelt sind, und der bei besonderen Kenntnissen des Berufsbetreuers eine Erhöhung bestimmt und erst bei einer akademischen Ausbildung den Höchstsatz gestattet. Grundsätzlich werden solche Qualifikationen damit gerade nicht vorausgesetzt.

Zudem übt der Betreuer seinen Beruf letztlich nicht fachlich unabhängig aus. Mit diesem Kriterium ist die am Berufsbild der Ärzte und Rechtsanwälte ausgerichtete Vorstellung verbunden, dass der Auftraggeber eines Freiberuflers zwar den Auftrag erteilt, auf die genaue Art der Ausführung dann jedoch keinen Einfluss mehr hat, weil der Arzt oder Rechtsanwalt kraft überlegenen Fachwissens besser entscheiden kann, was im Einzelfall die bessere Lösung ist. Der Aufgabenbereich eines Betreuers besteht jedoch gerade darin, Entscheidungen für den Betreuten zu treffen, zu denen dieser grundsätzlich selbst befähigt, aktuell aber aus gesundheitlichen oder psychischen Gründen nicht in der Lage ist.
Insoweit kommt dem Berufsbetreuer zwar eine inhaltliche Eigenverantwortlichkeit bei seinen Entscheidungen zu; es fehlt aber der Aspekt der fachlichen Unabhängigkeit. Die Entscheidungen werden durch den Berufsbetreuer nicht kraft strukturell überlegenen Fachwissens getroffen, wie es für Angehörige Freier Berufe typisch ist. Zudem liegt damit auch kein Herausstellungsmerkmal des Berufsbetreuers gegenüber einem ehrenamtlichen Betreuer vor. Auch dieser trifft seine Entscheidungen in der gleichen Konstellation eigenverantwortlich, aber nicht gestützt auf eine fachlich unabhängige Kompetenz.

Ebenso wenig ist für den Berufsbetreuer kennzeichnend, dass er nicht nur – wie ein Gewerbetreibender - im Interesse des Auftraggebers, sondern auch im Interesse der Allgemeinheit gleichsam altruistisch tätig wird. Diese dienende Funktion Freier Berufe findet für Rechtsanwälte ihren Niederschlag insbesondere in § 1 BRAO. Das entgeltliche Führen der Angelegenheiten einer anderen Person durch Berufsbetreuer dient hingegen dem Zweck, innerhalb des vom Gericht übertragenen Aufgabenkreises den Betroffenen gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten (§§ 1897 Abs. 1, 1901 Abs. 1, 1902 BGB). Der Betreuungsbeschluss entspricht daher von seiner Bedeutung und von seinen Wirkungen her einer Vollmacht mit der einzigen Besonderheit, dass sie durch gerichtliche Entscheidung begründet ist. Ebenso wie ein rechtsgeschäftlich Bevollmächtigter nimmt der Berufsbetreuer damit aber keine Aufgaben wahr, denen über den Nutzen für den Betroffenen hinaus eine gesteigerte dienende Funktion für die Allgemeinheit in dem oben bezeichneten Sinn innewohnt.

Soweit schließlich darüber hinaus teilweise zusätzlich das Vorliegen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Freiberufler und dem Leistungsbezieher gefordert wird, trifft auch dies auf Berufsbetreuer jedenfalls nicht typischerweise zu. Die gesetzliche Ausgestaltung des Betreuungsrechts spricht vielmehr eher gegen die Annahme eines zwingend vorausgesetzten besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Betreutem und Berufsbetreuer. Denn gemäß § 1897 Abs. 6 BGB soll ein Berufsbetreuer nur dann bestellt werden, wenn keine nahestehende Person als ehrenamtlicher Betreuer zur Verfügung steht. Der Einsatz eines professionellen Betreuers ist also als ultima ratio konzipiert. Das Gesetz geht damit ersichtlich davon aus, dass persönliche Bindungen einer gedeihlichen Zusammenarbeit eher förderlich sind als die Bestellung eines Berufsbetreuers.

Die Folge: Auch Rechtsanwälte müssen ihre Tätigkeit als Berufsbetreuer nach § 14 GewO anzeigen.


OVG Nordrhein-Westfalen, 20.12.2011 - Az: 4 A 812/09

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