Vergütung eines Schwerbehinderten in einer Werkstatt für Behinderte

Arbeitsrecht

Der unter Betreuung stehende Kläger ist schwerbehindert. Die Beklagte betreibt eine anerkannte Werkstatt für Behinderte. Der Kläger wurde aufgrund eines Werkstattvertrags 1989 zunächst in den Arbeitstrainingsbereich aufgenommen und dann 1991 in den Arbeitsbereich übernommen. Bis Oktober 1996 zahlte die Beklagte dem Kläger eine monatliche "Arbeitsprämie" in Höhe von zuletzt 121,55 DM. Dies entsprach einem Stundenlohn von 0,85 DM. 1996 änderte die Beklagte die Vergütungsstruktur. Sie legte den Stundenlohn der Behinderten nach einer Punktestaffel fest. Die Anzahl der Punkte ermittelte sie anhand von Leistungskriterien. Danach gehörte der Kläger zu der Gruppe der Leistungsschwächsten. Der Kläger erhielt daher ab 1. November 1996 nur den geringsten in der Staffel vorgesehenen Stundenlohn von 0,21 DM, was einen Monatslohn von 30,00 DM entspricht. 

Der Kläger verlangt unter Berufung auf § 54 b Abs. 2 Satz 2 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) den Differenzbetrag zu 120,00 DM. Auf diesen Betrag beläuft sich das von der Bundesanstalt für Arbeit an Behinderte im Arbeitstrainingsbereich geleistete Ausbildungsgeld. Nach § 54 b Abs. 2 Satz 1 SchwbG "soll" sich das Arbeitsentgelt "aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes ... und, soweit das Arbeitsergebnis die Zahlung zuläßt, einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammensetzen. Der Steigerungsbetrag ist nach der individuellen Arbeitsleistung der Behinderten zu bemessen, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte." Die Beklagte hält sich dagegen für berechtigt, die Vergütung des Klägers auf monatlich 30,00 DM zu kürzen, da dieser aufgrund seiner Schwerbehinderung faktisch nichts zum Erlös der Werkstatt betrage. 

Die Klage hatte in allen drei Instanzen Erfolg. Die Zahlung eines Grundbetrages in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesanstalt für Arbeit Behinderten im Arbeitstrainingsbereich leistet, soll sicherstellen, daß im Arbeitsbereich der Werkstatt kein geringeres Arbeitsentgelt gezahlt wird als der Betrag, den die überwiegende Zahl der Behinderten in der Zeit der Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich zuletzt als Rehabilitationsleistung erhalten hat. Nur der Steigerungsbetrag ist nach der individuellen Arbeitsleistung des Behinderten zu bemessen, nicht aber der Grundbetrag, der unabhängig von der individuellen Leistungsfähigkeit sein soll. Damit hat der Gesetzgeber die Entgeltstruktur vorgegeben. § 54 Abs. 2 Satz 2 SchwbG ist zwar nur eine Sollvorschrift. Von Sollvorschriften darf aber nur abgewichen werden, wenn es dafür gewichtige Gründe gibt. Das bedeutet: Die Zahlung eines Grundbetrages in Höhe des Ausbildungsgeldes ist der Regelfall. Danach ist die Werkstatt nicht berechtigt, das gesetzlich vorgegebene Entgeltsystem durch ein völlig anderes zu ersetzen. Nach dem neuen Entgeltschema richtet sich aber schon der Grundbetrag in erster Linie nach der individuellen Leistung des Behinderten. Damit hat die Beklagte das gesetzlich vorgegebene Entgeltsystem durch ein völlig anderes ersetzt. Da im Streitfall das Arbeitsergebnis der Werkstatt die Zahlung eines Arbeitsentgelts in Höhe des Ausbildungsgeldes (120,00 DM monatlich) an alle im Arbeitsbereich tätigen Behinderten zuläßt, steht auch dem Kläger ein entsprechender Anspruch zu. Das führt zwar dazu, daß es der Werkstatt erschwert wird, auch nur annähernd leistungsgerechte Entgelte an die leistungsstärkeren Behinderten zu zahlen. Der Gesetzgeber hat aber den Interessenkonflikt zwischen den leistungsschwächeren und den leistungsstärkeren Behinderten, soweit es um die Zahlung des Grundbetrages geht, zugunsten der weniger leistungsfähigen Behinderten gelöst.


BAG - Az: 5 AZR 162/98

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