Vergabe öffentlicher Aufträge mit Mindestlohnvorgabe

Arbeitsrecht

Die Vergabe öffentlicher Aufträge kann durch Gesetz davon abhängig gemacht werden, dass ein Mindestlohn gezahlt wird. Es verstößt nicht gegen das Unionsrecht, wenn ein Bieter, der es ablehnt, sich zur Zahlung des Mindestlohns an seine Beschäftigten zu verpflichten, vom Verfahren zur Vergabe eines Auftrags ausgeschlossen wird.

Im Juli 2013 schloss die Stadt Landau (Rheinland-Pfalz, Deutschland) das deutsche Unternehmen RegioPost von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags über die Postdienstleistungen der Stadt aus, weil sich dieses Unternehmen entgegen den Bestimmungen der Vergabebekanntmachung auch nach Aufforderung nicht verpflichtet hatte, den Beschäftigten, die im Fall des Zuschlags zur Ausführung der Leistungen eingesetzt würden, einen Mindestlohn zu zahlen.
Sowohl die Vergabebekanntmachung als auch die Vergabeunterlagen nahmen auf ein Gesetz des Landes Rheinland-Pfalz Bezug, wonach in diesem Land öffentliche Aufträge nur an Unternehmen (und Nachunternehmer) vergeben werden dürfen, die sich bei Angebotsabgabe verpflichten, den zur Ausführung der Leistungen eingesetzten Beschäftigten ein Mindestentgelt von (während des im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraums) 8,70 Euro brutto pro Stunde zu zahlen. Im maßgebenden Zeitraum gab es in Deutschland für die Postdienstleistungsbranche keinen Tarifvertrag über einen verbindlichen Mindestlohn. Erst später wurde dort ein allgemein verbindlicher Mindestlohn eingeführt.
Das von RegioPost angerufene Oberlandesgericht Koblenz (Deutschland) fragt den Gerichtshof, ob diese Rechtsvorschriften des Landes Rheinland-Pfalz mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge vereinbar sind. Nach dieser Richtlinie können die öffentlichen Auftraggeber zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern sie mit dem Unionsrecht vereinbar sind und in der Vergabebekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Diese Bedingungen können u. a. soziale Aspekte betreffen.
Mit seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie 2004/18 Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, nach denen sich Bieter und deren Nachunternehmer in einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung verpflichten müssen, den Beschäftigten, die zur Ausführung der Leistungen eingesetzt werden sollen, einen im Vorhinein festgelegten Mindestlohn zu zahlen.
Der Gerichtshof sieht in der fraglichen Verpflichtung eine nach der Richtlinie grundsätzlich zulässige zusätzliche Bedingung, da sie sich auf die Ausführung des Auftrags bezieht und soziale Aspekte betrifft. Der Gerichtshof weist ferner darauf hin, dass diese Verpflichtung im vorliegenden Fall sowohl transparent als auch nichtdiskriminierend ist. Sie ist auch mit einer weiteren Richtlinie der Union, der Richtlinie 96/71 über die Entsendung von Arbeitnehmern, vereinbar, da sie sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, die einen Mindestlohnsatz im Sinne dieser Richtlinie vorsieht. Der in Rede stehende Mindestlohn gehört daher zu dem Schutzniveau, das den von Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten zur Ausführung des öffentlichen Auftrags entsandten Arbeitnehmern garantiert werden muss.
Zwar gilt der in Rede stehende Mindestlohn nur für öffentliche Aufträge und nicht für private Aufträge, doch ist diese Beschränkung die bloße Folge des Umstands, dass es für diesen Bereich spezielle Regeln des Unionsrechts gibt (im konkreten Fall die der Richtlinie 2004/18). Auch wenn der Mindestlohn geeignet ist, den freien Dienstleistungsverkehr zu beschränken, kann er grundsätzlich durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt sein. Der Gerichtshof differenziert insoweit zwischen der vorliegenden Rechtssache und der Rechtssache Rüffert.
Der Gerichtshof entscheidet darüber hinaus, dass die Richtlinie 2004/18 Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die vorsehen, dass Bieter und deren Nachunternehmer von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen werden, wenn sie sich weigern, sich durch eine schriftliche, ihrem Angebot beizufügende Erklärung zu verpflichten, den Beschäftigten, die zur Ausführung der Leistungen eingesetzt werden sollen, einen im Vorhinein festgelegten Mindestlohn zu zahlen.
Ebenso wie die Richtlinie dem Erfordernis der Abgabe einer schriftlichen Erklärung über die Einhaltung des Mindestlohns nicht entgegensteht, gestattet sie nämlich auch den Ausschluss eines Bieters, der sich weigert, eine solche Verpflichtung einzugehen, von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags.


EuGH, 17.11.2015 - Az: C-115/14

Quelle: PM de EuGH

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