Mit dem Ramadan beginnt alljährlich für muslimische
Arbeitnehmer die Fastenpflicht. Dies wirkt sich nicht nur im privaten Leben aus, es gibt auch konkrete arbeitsrechtliche Schnittpunkte. Während des Ramadans dürfen Muslime von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder essen noch trinken. Sobald dies Auswirkungen auf die
Arbeitspflicht oder Arbeitsproduktivität hat, sind hierdurch auch die Interessen des
Arbeitgebers betroffen. Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitnehmer - sofern kein
Urlaub genommen wurde - selbstverständlich auch im Ramadan verpflichtet ist, seine gesamte Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen.
Die Arbeitspflicht (
§ 611 Abs. 1 BGB) kollidiert schnell mit der Fastenpflicht bzw. der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG). Schlafmangel und eine geminderte Arbeitsfähigkeit sind nicht ungewöhnlich. Insbesondere bei körperlicher Anstrengung oder hohen Temperaturen kann die Konzentrationsfähigkeit und die Arbeitsproduktivität drastisch sinken, die Gefahr von
Arbeitsunfällen steigt an. Im Extremfall kann der Arbeitgeber gar nicht mehr arbeiten oder er verweigert die Arbeitsleistung.
Es gilt hier zwar der Grundsatz, dass ein Arbeitnehmer, der sich aus religiösen Gründen weigert, eine Arbeitsaufgabe zu erfüllen, zu der er sich vertraglich verpflichtet hat, mit einer
Kündigung rechnen muss. Voraussetzung ist jedoch, dass keine naheliegenden anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen.
Macht der Arbeitnehmer geltend, aus religiösen Gründen an der Ausübung vertraglich geschuldeter Tätigkeiten gehindert zu sein, muss er dem Arbeitgeber mitteilen, worin genau die religiösen Gründe bestehen, und aufzeigen, an welchen Tätigkeiten er sich gehindert sieht. Besteht für den Arbeitgeber im Rahmen der von ihm zu bestimmenden betrieblichen Organisation die Möglichkeit einer vertragsgemäßen Beschäftigung, die den religionsbedingten Einschränkungen Rechnung trägt, muss er dem Arbeitnehmer diese Tätigkeit zuweisen.
Diese Grundsätze hat das Bundesarbeitsgericht formuliert (BAG, 24.2.2011 - Az:
2 AZR 636/09). Die Konsequenz ist, dass der Arbeitgeber somit vorrangig dazu verpflichtet ist, den Arbeitnehmer in der Fastenzeit ggf. anderweitig einzusetzen. Ist dies nicht möglich und beruft sich der Arbeitnehmer gegenüber einer Arbeitsanweisung des Arbeitgebers auf einen dieser entgegenstehenden, ernsthaften inneren Glaubenskonflikt, kann das Beharren des Arbeitgebers auf Vertragserfüllung ermessensfehlerhaft sein.
Es wird hierbei jedoch auf den Einzelfall ankommen, tendenziell dürfte aber die Religionsfreiheit vorgehen. Der Arbeitgeber kann daher die Arbeitspflicht wegen Kollision mit der Religionsfreiheit nicht durchsetzen, der fastende Arbeitnehmer verweigert die Arbeit zu Recht und kann hierfür nicht abgemahnt werden. Auch eine personenbedingte Kündigung scheidet hier aus, da das Leistungshindernis nur temporär - nämlich während dem Ramadan - und regelmäßig auch die Arbeitsleistung täglich nur teilweise nicht erbracht werden kann.
Kann der Arbeitnehmer nun aufgrund des Fastens nicht arbeiten, so entfällt die
Entgeltzahlungspflicht.
Zur Vermeidung von Problemen sollte seitens des Arbeitgebers im Vorfeld das Gespräch mit betroffenen Arbeitnehmern gesucht werden. Oft kann durch eine vorab geplante Änderungen im Arbeitsablauf eine Lösung gefunden werden (zB Nachtarbeit), so dass tatsächliche Beeinträchtigungen zumindest größtenteils vermeidbar sind. Kann für den fraglichen Zeitraum keine unproblematische Tätigkeit (zB im Büro) gefunden werden, so sollte versucht werden, in dieser Zeit Urlaub zu nehmen oder ein Freizeitguthaben abgebaut werden. Eventuell ist es auch möglich, die Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen oder gar Schichten bzw. Arbeitszeiten zwischen Arbeitskollegen zu tauschen. Anbieten dürfte es sich zB, wenn fastende Arbeitnehmer beispielsweise zur Weihnachtszeit arbeiten und entspr. Arbeitspensum mit Kollegen tauschen, die diese Zeit lieber zu Hause verbringen würden. Ob dies möglich ist oder nicht, wird jedoch immer von den betrieblichen Gegebenheiten abhängen.
Zu vorsichtig sollte der Arbeitgeber jedoch nicht mit betroffenen Arbeitnehmern umgehen. Es könnte sonst der Verdacht der Vorzugsbehandlung entstehen. Nach dem
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz dürfen muslimische Arbeitnehmer aber nicht besser gestellt werden als die übrigen Beschäftigten. So sollte der Arbeitgeber keine einseitige Auflösung starrer
Arbeitszeiten des Schichtbetriebs für betroffene Arbeitnehmer wegen des Ramadans vornehmen. Die - ggf. zeitlich beschränkte - Einführung einer Wunschschicht für alle Arbeitnehmer wäre hingegen unproblematisch.