Annahmeverzug des Arbeitgebers

Arbeitsrecht

Nimmt ein Arbeitgeber eine vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht an, so liegt ein Annahmeverzug vor (§ 615 BGB). Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Vergütung zu zahlen kann aber auch dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer nicht tätig geworden ist.

Voraussetzungen für den Annahmeverzug

Damit Annahmeverzug vorliegen kann, müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Das Arbeitsverhältnis muss fortbestehen.

2. Die Arbeitsleistung muss angeboten werden. Hierbei muss es sich um ein tatsächliches Angebot handeln, i.d.R. stellt sich der Arbeitnehmer hierzu direkt an der Arbeitsstelle pünktlich zur Verfügung. Gibt der Arbeitgeber zu verstehen oder erklärt er, dass er die Leistung nicht annehmen will, so genügt ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung.

Weiterhin kann auch ein überflüssiges Angebot erfolgen, wenn der Arbeitgeber zur Erbringung der Arbeitsleistung eine Mitwirkungshandlung vornehmen muss, beispielsweise weil ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden muss. Wurde eine Kündigung ausgesprochen, so wird der Arbeitsplatz gerade nicht zur Verfügung gestellt. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer nichts unternehmen.

3. Der Arbeitnehmer muss leistungsfähig und leistungswillig sein. Hierzu muss der Arbeitgeber imstande sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Er darf also auch nicht arbeitsunfähig erkrankt sein.

Eine Ausnahme besteht nur für den Fall, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt lediglich eingeschränkt arbeitsfähig ist. Dann ist dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit zuzuweisen, die „leidensgerecht“ ist, sofern dies dem Arbeitgeber auch möglich und zumutbar ist. Andernfalls liegt auch hier Annahmeverzug vor.

4. Der Arbeitgeber hat die Arbeitsleistung nicht angenommen.

Sind die Voraussetzungen des § 615 BGB erfüllt, so ist der Arbeitgeber zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet.

Wer trägt die Darlegungs- und Beweislast?

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer objektiv nicht imstande oder subjektiv nicht bereit war, die Leistung zu erbringen, liegt beim Arbeitgeber. Es ist ausreichend, wenn hierzu Indizien für eine fehlende Leistungsfähigkeit vorgetragen werden.

Der Arbeitnehmer kann dann den Gegenbeweis erbringen, um seine Leistungsfähigkeit nachzuweisen.

Annahmeverzug im Kündigungsschutzprozess

In der Praxis betrifft Annahmeverzug in der Hauptsache Fälle von Kündigungen, die sich im Kündigungsschutzprozess als unwirksam herausgestellt haben aber auch den Fall der Suspendierung oder Freistellung des Arbeitnehmers. Weiterhin kommt Annahmeverzug bei Arbeitsausfall aus wirtschaftlichen Gründen vor, da der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trägt.  Hier muss der Arbeitnehmer seine Leistung gar nicht tatsächlich anbieten, um einen Annahmeverzug herbeizuführen.

Im Fall von Kündigungen sind sowohl die Fälle der außerordentlichen Kündigung als auch der ordentlichen Kündigung für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist oder der sofortigen Suspendierung betroffen.

Der Arbeitgeber gerät hier ohne weiteres Zutun in Annahmeverzug. Es wird davon ausgegangen, dass ein ordnungsgemäßes Angebot bereits darin besteht, dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt.

Dies gilt nach neuerer Rechtsprechung auch dann, wenn der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits arbeitsunfähig wird und dies dem Arbeitgeber nicht bekannt war.

Es besteht dann rückwirkend Anspruch auf die gesamte Vergütung, wenn sich die Unwirksamkeit der Kündigung herausstellt. Zur Sicherheit sollte jedoch vorsorglich gleichzeitig mit der Kündigungsschutzklage die Arbeitsleistung nochmals ausdrücklich angeboten werden.

Wie kann Annahmeverzug vermieden werden?

Der Annahmeverzug kann vermieden werden, indem dem Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Arbeit wieder zugewiesen wird. Die konkrete Zuweisung der Tätigkeit ist erforderlich, um den Annahmeverzug zu beenden; es genügt nicht, gegenüber dem Arbeitnehmer zu erklären, dass das Arbeitsverhältnis trotz Kündigung fortbestehen soll.

Bei Annahmeverzug gibt es Lohn ohne Arbeit

Kommt es zu einem Annahmeverzug des Arbeitgebers, so die vereinbarte Vergütung für die in der Folge nicht geleistete Arbeit verlangt werden. Eine Verpflichtung zur Nachleistung besteht nicht. Spart der Arbeitnehmer durch das Unterbleiben der Dienstleistung, so wird dies angerechnet. Ein gleiches gilt für durch anderweitige Nutzung der Dienste Erworbenes oder zu erwerben böswillig Unterlassenes.

Der Arbeitnehmer ist aber nicht verpflichtet, während des Verzugszeitraums eine Meldung bei der Arbeitsagentur durchzuführen. Erhält der Arbeitnehmer daher kein Arbeitslosengeld, so ist dies kein böswilliges Unterlassen, da den Arbeitnehmer keine Obliegenheit trifft, die Arbeitsagentur in Anspruch zu nehmen. Daher ist Verzugslohn in voller Höhe zu zahlen.

Hinweis: Im Verhältnis zu getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten oder Kindern, gegenüber denen eine Unterhaltsverpflichtung besteht, besteht eine Obliegenheit, sich nicht nur arbeitslos zu melden, sondern auch eigene Erwerbsbemühungen zu unternehmen!

Verfallsklauseln beachten!

Gilt ein Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis, so muss auf etwaige Verfallsklauseln geprüft werden, da je nach Ausprägung Ansprüche u.U. innerhalb von bestimmten Fristen schriftlich oder gar gerichtlich gelten zu machen sind.

Sonderfälle des Annahmeverzugs

Außerhalb dieser häufig vorkommenden Fälle ist es auch möglich, dass der Arbeitgeber zwar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers annehmen möchte, dies aber nicht kann – beispielsweise wegen Lieferstörungen, Stromausfall etc.

Diese Fälle unterliegen dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers. Dies bedeutet, dass er das Risiko tragen muss, dass ein leistungsbereiter und leistungswilliger Arbeitnehmer nicht eingesetzt werden kann. Der Arbeitnehmer erhält in diesen Fall weiterhin sein Gehalt.

Von diesem Grundsatz kann arbeits- oder tarifvertraglich abgewichen werden, wobei hier der Arbeitnehmerschutz zu beachten ist. Entsprechende Regelungen sind daher gerade in Arbeitsverträgen zumindest äußerst bedenklich und halten nicht zwingend einer gerichtlichen Überprüfung stand.

Letzte Änderung: 21.08.2023

Wir lösen Ihr Rechtsproblem! AnwaltOnline - empfohlen von Radio PSR *

Fragen kostet nichts: Sie erhalten ein unverbindliches Angebot für eine Rechtsberatung.
  Anfrage ohne Risiko    vertraulich    schnell 

Unsere Rechtsberatung - von Ihnen bewertet

Durchschnitt (4,84 von 5,00 - 1.136 Bewertungen) - Bereits 359.946 Beratungsanfragen

Wir hatten Rechtsanwalt Dr. Voss um anwaltlichen Rat bei einer Vereinbarung, die wir vor vielen Jahren mit einem Nachbarn getroffen hatten, gebeten. ...

Verifizierter Mandant

Ob mein Problem gelöst ist, kann ich erst in 3 Wochen beurteilen.

Gerhard Strauss, Frankreich