Antidiskriminierungsgesetz

Arbeitsrecht

Das Antidiskriminierungsgesetzes sieht neben arbeitsrechtlichen Regelungen und der Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle des Bundes auch differenzierte Diskriminierungsverbote im Rechtsverkehr zwischen Privatleuten vor.

Das Antidiskriminierungsgesetzes verbietet nicht nur Diskriminierungen wegen des Geschlechts und der ethnischen Herkunft, sondern auch wegen der Religion oder Weltanschauung, wegen des Alters, wegen Behinderung oder der sexuellen Identität.

Abgesehen von der Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft gelten die Vorschriften für besonders augenfällige Benachteiligungen, nämlich dort, wo Verträge üblicherweise ohne Ansehen der Person abgeschlossen werden, oder wo das Ansehen der Person eine untergeordnete Rolle spielt. Unterscheidungen aus sachlichem Grund bleiben jedoch nach wie vor zulässig. Ausgenommen ist auch der private Nähebereich.

Hintergrund

Im Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zum Staat binden die verfassungsrechtlichen Gleichheitssätze bereits alle Bereiche staatlichen Handelns. Deutschland ist darüber hinaus verpflichtet, vier Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft umzusetzen, die den Schutz vor Diskriminierung regeln. Hiervon sind viele Bereiche unserer Rechtsordnung betroffen. Der Schwerpunkt liegt im Bereich von Beschäftigung und Beruf, die Bestimmungen gelten gleichermaßen etwa für Arbeitnehmer, Auszubildende oder für den öffentlichen Dienst. Zuständig für die Umsetzung ist insoweit das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Betroffen ist aber auch das Zivilrecht, insbesondere Verträge mit Lieferanten, Dienstleistern oder Vermietern. Für die Umsetzung der zivilrechtlichen Regelungen ist innerhalb der Bundesregierung das Bundesministerium der Justiz zuständig.

Wie wird im Zivilrecht vor Diskriminierung geschützt?

Auch im Rechtsverkehr zwischen Privatleuten beruht das Antidiskriminierungsgesetz teilweise auf der Umsetzung von Richtlinien, geht aber auch darüber hinaus.

Das bedeutet: In den ethnischen Diskriminierungsschutz sind fast alle Verträge des Wirtschaftsverkehrs einbezogen, wie die Antirassismus-Richtlinie dies vorschreibt. Dies gilt auch für die Vermietung von Wohnraum. Ausgenommen ist auch hier der private Nähebereich, also etwa dann, wenn Vermieter und Mieter oder ihre Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück nutzen. Im Übrigen (also im Hinblick auf Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität) gilt der Diskriminierungsschutz für Massengeschäfte und für privatrechtliche Versicherungen. Unterscheidungen aus sachlichem Grund bleiben auch im Anwendungsbereich des Gesetzes zulässig. Mit dieser differenzierten Lösung bleiben die Grundsätze der Vertragsfreiheit gewahrt. Massengeschäfte sind vor allem Verträge, die typischerweise in einer Vielzahl von Fällen zu vergleichbaren Bedingungen ohne Ansehen der Person abgeschlossen werden, oder bei denen das Ansehen einer Person eine untergeordnete Rolle spielt. Sie kommen also vor allem in der Konsumgüterwirtschaft und bei standardisierten Dienstleistungen vor. Kein Massengeschäft ist typischerweise die Einzelvermietung von Wohnraum oder die Vergabe eines Immobiliarkredits durch eine Bank, weil hier der Vertragspartner regelmäßig individuell nach vielfältigen Kriterien ausgewählt wird.

Viele Unterscheidungen zum Beispiel wegen des Geschlechts, des Alters oder einer Behinderung sind allgemein akzeptiert und sozial höchst erwünscht, zumindest aber objektiv erforderlich. Deshalb sieht der Entwurf die Möglichkeit vor, Unterscheidungen aus sachlichem Grund zu rechtfertigen. Das Gesetz konkretisiert dies anhand der wichtigsten Fallgruppen in Regelbeispielen und erleichtert damit die Rechtsanwendung.

Für die einzelnen, durch das Gesetz geschützten Personengruppen bedeutet dies:

Rasse / ethnische Herkunft

Bislang konnte ein Vermieter seine Auswahlentscheidung auch nach der Ethnie des Mietinteressenten treffen (keine Vermietung an "Ausländer" / "Türken" etc., soweit die ethnische Abstammung gemeint ist).

Diese Praxis ist nach dem Antidiskriminierungsgesetz verboten, auf die "Rasse" oder ethnische Herkunft darf bei der Vermietung (und bei anderen öffentlich angebotenen Leistungen auch) nicht mehr abgestellt werden, es sei denn, der persönliche Nähebereich wäre betroffen, z.B. bei der Vermietung einer Einliegerwohnung im selbstgenutzten Haus.

Eindeutig geregelt wird im Antidiskriminierungsgesetz, dass die Verweigerung des Zugangs zu Gaststätten, Diskotheken, Fitnessstudios etc. wegen der ethnischen Zugehörigkeit verboten ist, der Zutritt notfalls gerichtlich durchgesetzt werden kann und dass eine Verweigerung z.B. Schadenersatzansprüche auslöst.

Bislang musste dieser rechtliche Schutz aus den Generalnormen des bürgerlichen Rechts i.V.m. öffentlich-rechtlichen Vorschriften (z.B. Gaststättengesetz) und aus der Verfassung (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) abgeleitet werden. Auch bestand eine weithin verbreitete (irrtümliche) Auffassung, dass das Prinzip der Vertragsfreiheit jede Diskriminierung rechtfertige.

Religion / Weltanschauung

Bislang konnten Unternehmer, die Massengeschäfte abwickeln, eigene religiöse oder weltanschauliche Vorstellungen auch gegenüber ihren Kundinnen und Kunden durchsetzen. So konnte etwa ein islamischer Metzger die Bedienung von Frauen verweigern, die kein Kopftuch tragen. Nach dem Antidiskriminierungsgesetz kann er diese Praxis nur dann beibehalten, wenn er darzulegen vermag, dass seine Religion ihm diese Auswahl der Kundschaft gebietet.

Erlaubt ist weiterhin die Unterscheidung nach der Religion und Weltanschauung dort, wo z.B. Religionsgemeinschaften von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen.

Behinderung

Bislang wurde die Auffassung vertreten, dass die Zurückweisung Behinderter z.B. in Gaststätten durch das Hausrecht des Gastwirts gedeckt sei. Das Antidiskriminierungsgesetz verbietet die Zurückweisung von Menschen mit Behinderungen in Gaststätten und bei anderen Leistungen, die typischerweise ohne Ansehen der Person erbracht werden.

Bislang konnten privatrechtliche Versicherungsanträge von Menschen mit Behinderungen ohne weitere Begründung abgelehnt werden. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass eine ernsthafte Einzelfallprüfung erst gar nicht statt fand. Nach dem Antidiskriminierungsgesetz dürfen Versicherungsunternehmen eine Behinderung nur dann berücksichtigen, wenn sie das zu versichernde Risiko erhöht. Pauschale Ablehnungen werden damit unterbunden.

Erlaubt ist eine Unterscheidung wegen einer Behinderung weiterhin beispielsweise dort, wo es um die Einhaltung von Verkehrssicherungspflichten geht (z.B. Zuweisung von besonderen Plätzen für Rollstuhlfahrer, um die Freihaltung von Fluchtwegen in Konzerträumen zu gewährleisten).

Alter

Bislang konnten Anbieter von Massengeschäften, die typischerweise ohne Ansehen der Person abgewickelt werden, ohne weiteres Altersbeschränkungen (Mindest- oder Höchstalter; Angebote nur für bestimmte Altersgruppen) vorsehen. Nach dem Antidiskriminierungsgesetz bedarf jede Altersgrenze, die sich nicht schon aus den allgemeinen Gesetzen (z.B. Jugendschutz) ergibt, einer besonderen Rechtfertigung. Lieferanten und Dienstleister können bei Massengeschäften also nicht mehr willkürlich nach dem Alter unterscheiden. Erlaubt sind weiterhin z.B. besondere Vergünstigungen für jüngere öder ältere Kunden (Studentenrabatte, Seniorenteller etc.).

Sexuelle Identität

Bislang konnte etwa ein Hotel die Aufnahme gleichgeschlechtlicher Paare verweigern. Nach dem Antidiskriminierungsgesetz ist dies nicht mehr möglich.

Bislang konnten Vorbehalte gegen Schwule und Lesben (etwa wg. erhöhtem Aids-Risiko beim Abschluss von privatrechtlichen Versicherungen) durch eine pauschale Ablehnung des Versicherungsantrags ohne weitere Begründung kaschiert werden. Nach dem Antidiskriminierungsgesetz müssen Unterscheidungen wegen der sexuellen Identität offen gelegt und gerechtfertigt werden. Wäre der Versicherungsvertrag ohne Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zustande gekommen, so kann der Vertragsschluss eingeklagt werden.

Erlaubt sind weiterhin z.B. spezifische Angebote nur für homosexuelle Kunden, soweit kein Interesse an der Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes besteht.

Geschlecht

Bislang waren private Versicherungsunternehmen verpflichtet, das unterschiedliche Lebensalter von Frauen und Männern bei der Kalkulation zu berücksichtigen. Kosten der Schwangerschaft wurden den Frauen als "Krankheitskosten" zugerechnet.

Nach dem Antidiskriminierungsgesetz sind auch Unisex-Tarife möglich. Sofern nach dem Geschlecht unterschieden wird, ist dies nur dann erlaubt, wenn bei der jeweiligen Versicherung das Geschlecht ein bestimmender Faktor ist bei der Risikobewertung ist; das Datenmaterial und die Berechnung müssen offen gelegt werden. Kosten von Schwangerschaft und Entbindung müssen zwingend geschlechtsneutral verteilt werden. Erlaubt sind weiterhin geschlechtsspezifische Differenzierungen, die z.B. Rücksicht auf den Schutz der Intimsphäre nehmen, z.B. Saunabetrieb nur für Frauen.

Letzte Änderung: 02.08.2018

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