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Offenbarungspflicht bei Bewerbungen: Was muss ungefragt mitgeteilt werden?

Arbeitsrecht

Vor der Einstellung steht das Bewerbungsgespräch – der Arbeitgeber möchte hierbei so einiges über seinen möglichen Arbeitnehmer erfahren. Bewerber fragen sich hierbei verständlicherweise, was der Arbeitgeber wissen muss oder darf und ob es eventuell sogar Informationen gibt, die dem Arbeitgeber mitzuteilen sind.

Grundsätzlich bestehen für die potenziellen Arbeitsvertragspartner Mitteilungspflichten, doch nicht alles muss ungefragt mitgeteilt werden.

Was muss der Arbeitgeber ungefragt mitteilen?

Den Arbeitgeber trifft eine Mitteilungspflicht über besondere Anforderungen des Arbeitsvertrags. Denn der mögliche Arbeitnehmer soll in die Lage versetzt werden, zuverlässig zu beurteilen, ob er für den angestrebten Arbeitsplatz nach Kenntnissen, Fähigkeiten und gesundheitlichen Voraussetzungen geeignet ist.

Was muss der Bewerber ungefragt mitteilen?

Nur bei wenigen Ausnahmen trifft den möglichen neuen Arbeitnehmer eine Mitteilungspflicht, ohne dass er ausdrücklich vom Arbeitgeber danach gefragt wird.

Die Mitteilungspflicht betrifft Aspekte, die dazu führen würden, dass der Bewerber die Arbeit auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz gar nicht ausüben kann z.B.:
  • Bereits vorliegende Krankheiten, die den Bewerber für die Arbeitsstelle ungeeignet machen
  • Vorstrafen, wenn es ersichtlich auf absolute Integrität ankommt
  • Wettbewerbsverbote
  • Ansteckende Krankheiten mit Gefährdung anderer
  • Bereits jetzt feststehende Verhinderung zum Arbeitsbeginn (z.B. bei einer Kur)
Den Bewerber trifft dagegen u.a. keine Mitteilungspflicht hinsichtlich:
  • Sonstige Vorstrafen
  • Schwangerschaft
  • Latente Gesundheitsgefährdung
Auch dann, wenn nach der Bewerbung und vor Arbeitsantritt wesentliche Änderungen eintreten sollten, muss der Arbeitgeber informiert werden.

Sollte ein Bewerber seiner Offenbarungspflicht nicht nachgekommen sein, ist der Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrags berechtigt.

Muss über Krankheiten informiert werden?

Krankheitsbedingte Umstände sind dann ungefragt offenzulegen, wenn die Krankheit bereits von Anfang an ein Hinderungsgrund für die Tätigkeitsausübung darstellt.

Dies betrifft sowohl Erkrankungen, die zur Ungeeignetheit für die Arbeitsstelle führen (Alkoholabhängigkeit bei einem Berufskraftfahrer oder bei der Personenbeförderung) als auch ansteckende Krankheiten oder Allergien, die die Berufsausübung verhindern.

Was muss der Bewerber mitteilen, wenn er gefragt wird?

Will der Arbeitgeber weitere Informationen erlangen, muss er gezielt danach fragen.

Hierbei ist zu beachten, dass nur Fragen gestellt werden dürfen, bei denen ein sachlich berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht.

Zulässige Fragen müssen vom Bewerber wahrheitsgemäß beantwortet werden.

Wann darf der Bewerber lügen?

Bei unberechtigten Fragen – und nur dann - besteht dagegen ein Recht zur Lüge. In diesem Fall kann die Frage so beantwortet werden, wie es der Arbeitgeber vermutlich gerne hören würde.

Unzulässig ist jede Frage, die nicht im Bezug zur künftigen Tätigkeit ist. Dies umfasst unter anderen die Frage nach einer Schwangerschaft, allgemeinen Vorstrafen, Religion (Ausnahme: konfessionelle Arbeitgeber), politische Ausrichtung (Ausnahme: parteipolitische Arbeitgeber), Vermögensverhältnisse (Ausnahme: Führungskräfte), private Fragen.

Die Beantwortung unzulässiger Fragen kann natürlich auch einfach verweigert werden. Ob dies für die Bewerbung förderlich ist, darf jedoch bezweifelt werden.

Bei solchen zulässigen Lügen kann der Arbeitgeber einen daraufhin geschlossenen Arbeitsvertrag nicht anfechten (EuGH, 04.10.2001 – Az: C-109/00).

Wenn der Bewerber unzulässigerweise gelogen hat

Die falsche Beantwortung einer zulässigen Frage berechtigt den Arbeitgeber im Prinzip dazu, einen in der Folge geschlossenen Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn dies für die Einstellung (mit)ursächlich war.

Dadurch wird das Arbeitsverhältnisverhältnis mit Zugang der Anfechtungserklärung beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt gezahlter Arbeitslohn kann der Arbeitgeber aber nicht zurückfordern.

Eine solche Anfechtung muss innerhalb eines Jahres erklärt werden, wobei die Frist beginnt, sobald der Arbeitgeber von der Täuschung Kenntnis erlangt.

Ein Arbeitsvertrag kann jedoch nicht angefochten werden, wenn die Lüge für den Arbeitgeber offensichtlich war und der Arbeitgeber daher nicht wirklich getäuscht worden ist (BAG, 18.10.2000 - Az: 2 AZR 380/99).

Liegt die Täuschung bereits sehr lange zurück und hat diese objektiv keine Bedeutung für die weitere Durchführung des Arbeitsverhältnisses kann das Recht zur Anfechtung des Arbeitsvertrags verwirkt sein.

Die vorsätzliche Falschbeantwortung einer zulässigen Frage führt zudem zu einer Schadensersatzpflicht, wenn dem Arbeitgeber hierdurch Kosten entstehen.

Darf nach einer Schwangerschaft gefragt werden?

Eine Schwangerschaft muss weder ungefragt noch auf Nachfrage offengelegt werden. Da das AGG eine Benachteiligung wegen des Geschlechts verbietet und eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Einstellung verboten ist (§ 7 AGG, § 2 AGG). Auch eine mittelbare Benachteiligung ist untersagt (§ 3 AGG).

Die Frage nach einer Schwangerschaft ist daher selbst dann untersagt, wenn es sich um einen für die Einstellung bedeutsamen Umstand handelt. Ausnahmen macht das BAG in dieser Hinsicht nicht mehr (BAG, 06.02.2003 - Az: 2 AZR 621/01).

Darf nach Krankheiten gefragt werden?

Nur für den Fall, dass dies für die Beurteilung der Einsatzfähigkeit erforderlich ist, darf nach Krankheiten gefragt werden.

Eine pauschale und damit auch ungenaue Frage nach „Erkrankungen“ ist dagegen grundsätzlich unzulässig.

Wenn jedoch aufgrund der Krankheit ein erhebliches Risiko für den Bewerber oder andere besteht und sich dieses auch nicht durch Arbeitsschutzmaßnahmen auf ein vernünftiges Maß reduzieren lässt, kann ein anderes gelten.

Wenn eine  Krankheit sich derart auf die auszuübende Tätigkeit auswirkt, dass diese gar nicht erst ausgeübt werden kann, ist die Frage zulässig – dies wäre jedoch ohnehin offenbarungspflichtig.

Spielt die Krankheit für die vorgesehene Tätigkeit keine Rolle, so muss diese auch nicht mitgeteilt werden

Darf nach einer (Schwer-)Behinderung gefragt werden?

Da auch eine Diskriminierung von (schwer-)behinderten Bewerbern unzulässig ist, darf nach einer Schwerbehinderung i.S.d. SGB IX nicht gefragt werden, wenn diese die vertragsgemäße Tätigkeit nicht unmöglich machen würde.

Auch die Frage nach einer Behinderung darf nur dann gestellt werden, wenn ein konkreter Bezug zur vertragsgemäßen Tätigkeit besteht.

Achtung: Wird die Frage nach einer Schwerbehinderung falsch beantwortet, so kann (und muss) der Arbeitgeber den entsprechenden Schutzvorgaben (zB. im Kündigungsschutz, bei der Sozialauswahl etc.) nicht nachkommen – zumindest dann, wenn es nicht offensichtlich war, dass die Auskunft falsch war.

Darf nach Vorstrafen gefragt werden?

Vorstrafen sind dann ungefragt zu offenbaren, wenn es auf absolute Integrität ankommt.

Ansonsten gilt jedoch, dass die allgemeine Frage nach Vorstrafen unzulässig ist und diese auch nicht ungefragt zu offenbaren sind. Hierzu muss ein Bezug zum möglichen Arbeitsverhältnis bestehen. Bei einer ungenauen Frage nach „allen Vorstrafen“ ist dies jedoch nahezu niemals der Fall.

Die Frage nach Vorstrafen für Eigentums- oder Vermögensdelikte wird dagegen oftmals konkret genug sein, um diese dann für zulässig zu erachten, wenn der Arbeitsplatz beispielsweise auch die Entgegennahme oder Verwaltung von Geldern beinhaltet. Ein gleiches gilt für die Frage nach Vorstrafen aus dem Straßenverkehrsbereich wenn ein Kraftfahrer eingestellt werden soll.

Diese konkreteren Fragen weisen einen Bezug zur Tätigkeit auf, so dass ein sachlich gerechtfertigtes Arbeitgeberinteresse besteht.

Letzte Änderung: 15.09.2023

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Josef Angerer, Rosenheim